„Denken als Danken“: Erste Ulrich-Tagung im deutschsprachigen Raum begeistert über 100 Teilnehmer
„Geschenktes Dasein – Ferdinand Ulrich und die Philosophie der Gabe“ – unter diesem Titel fand vom 12. bis 14. September 2025 eine Tagung in Passau statt, die sich erstmals im deutschsprachigen Raum mit dem Werk des Regensburger Philosophen Ferdinand Ulrich auseinandersetzte.
Mehr als hundert Interessierte kamen ins Passauer Exerzitien- und Bildungshaus Spectrum Kirche, um sich mit der christlichen Philosophie Ulrichs auseinanderzusetzen. Mit dem Titel „Geschenktes Dasein“ griff die Tagung die Philosophie der Gabe auf, über die Ferdinand Ulrich Zeit seines Lebens tief und immer wieder neu nachgedacht hat: die Frage nach dem Sein, das uns als Gabe geschenkt ist.
Organisiert vom Ferdinand-Ulrich-Archiv, das in Passau den Nachlass Ulrichs verwaltet, sprachen namhafte Referenten aus dem In- und Ausland, darunter der reformierte Schweizer Theologe Dr. habil. Martin Bieler, Dr. Marine de la Tour aus Frankreich und Prof. Dr. David C. Schindler aus Washington D.C., die extra für die Tagung anreisten, sowie der Passauer Priester Prof. Dr. Manuel Schlögl und Bischof Dr. Stefan Oster SDB.
Die Tagung, deren Zielsetzung es war, trotz des philosophisch anspruchsvollen Themas nicht nur Fachleute, sondern auch an Philosophie und Theologie Interessierte anzusprechen, versammelte ein vielfältiges Publikum aus Nah und Fern. Aus zehn verschiedenen Ländern (Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Österreich, Schweiz, Spanien, Tschechien, Ungarn und den USA) kamen die Teilnehmer zusammen und bereicherten den Austausch über Person und Werk Ulrichs sowohl durch ihr fachliches Wissen in den Diskussionen als auch durch viele persönliche Anekdoten aus der persönlichen Begegnung mit Ulrich. Sowohl die Vorträge als auch die daran anschließenden Gespräche eröffneten vielfältige Zugänge zu Ulrichs Werk und verdeutlichten, wie Ulrichs Metaphysik helfen könne, Brücken zwischen Philosophie und Theologie, zwischen Denken und Glauben zu schlagen und wie sie, trotz der scheinbar oft abstrakten Diktion, helfen kann zu glauben und zu leben.
Den Auftakt der Veranstaltung bildete ein öffentlicher Vortrag von Bischof Dr. Stefan Oster, zu dem auch über die Tagungsteilnehmer hinaus viele weitere Interessierte dazukamen. Sein Thema „Freiheit und Freigabe – Ferdinand Ulrich als Lehrer der Gabe und als Lehrer, der lebt, was er lehrt.“ ließ schon im Vorfeld anklingen, dass Oster ein Schüler von Ulrich ist. Während seines Studiums in Regensburg begegnete er dem Philosophieprofessor Ferdinand Ulrich, dessen Werk er anschließend intensiv studierte. In dem Vortrag der Tagung führte er in das Thema der Tagung ein, indem er Ulrichs Philosophie der Gabe anhand von zahlreichen Beispielen erklärte. Denn „je länger man sich damit befasst – wird einem deutlich, dass es bei Ulrich mitten in diesem abstrakten Denken und Fragen zugleich immer um das Allerkonkreteste geht“, so Oster. Eine seiner wesentlichsten Einsichten aus dem von Ulrich gelernten, von denen er einige mit den Zuhörern teilte, sei: „Alles, was es gibt, existiert aus verschenkter Liebe und alles Lebendige lebt aus verschenkter Liebe.“
Die beiden Vorträge am Samstagvormittag zielten auf ein vertiefteres Verständnis und die Einordnung von Ulrichs Denken ab. Dogmatikprofessor Manuel Schlögl führte in den Gabe-Diskurs der Philosophie und Theologie des 20. Jahrhunderts ein, in der das Geben und Empfangen als Interpretationskategorie der Wirklichkeit ausgehend von der Kulturanthropologie wiederentdeckt worden sei. Marine de la Tour ergänzte dies, indem sie das Gabe-Verständnis Ulrichs und seine philosophischen Voraussetzungen ausführlich erläuterte. Dass die mitunter stark von Martin Heidegger geprägte Sprache Ulrichs nicht ohne Weiteres in andere Sprachen zu übersetzen sei, wurde zu Beginn des Nachmittags in einem Gespräch deutlich, das Bischof Oster mit dem amerikanischen Philosophieprofessor David C. Schindler führte, der Ulrichs Hauptwerk ins Englische übersetzte. Mit etlichen Anekdoten angereichert erzählte Schindler dabei ausführlich von seiner Entdeckung und Rezeption von Ulrichs Philosophie. Den zweiten Teil des Nachmittags bestimmten Lektüregruppen, in denen sich die Tagungsteilnehmer Texte von und über Ferdinand Ulrich zusammen mit Schülern bzw. Kennern des Philosophen erschließen konnten.
Der Sonntag diente der philosophischen Auseinandersetzung mit Ulrichs Metaphysik: Der Schweizer Theologe und reformierte Pfarrer Martin Bieler erläuterte ausführlich die Verankerung von Ulrichs Seinsdenken im Werk des Thomas von Aquin. Ulrich habe herausgearbeitet, dass Thomas von Aquins Denken bereits implizit offen ist auf den neuzeitlichen Personalismus und das dialogische Denken. David C. Schindler plädierte schließlich in einem geistesgeschichtlich weit gespannten Bogen dafür, in Ulrichs Werk einen Schlüssel zu sehen, um Problemstellungen des modernen philosophischen Nachdenkens zu überwinden. Ulrichs Metaphysik könne – nicht zuletzt wegen der in ihr aufgezeigten Brücke des Denkens zum Glauben – eine Hilfe für eine erneute Stärkung des Glaubenslebens in der Kirche Deutschlands und weltweit sein, so Schindler. Bezugnehmend auf Heidegger brachte Schindler Ulrichs Denken in der Frage nach der angemessenen Antwort des Menschen auf das Sein als Gabe auf den Punkt: „Denken als Danken“. Es brauche eine Haltung der Dankbarkeit und der Fürsorge für unser „geschenktes Dasein“.
So schauten die Organisatoren der Tagung, Bischof Oster, Professor Schlögl und die Kuratorin des Archivs Andrea Schwemmer, mit großer Dankbarkeit auf die vielen Begegnungen, das gemeinsame Nachdenken in einer offen zugewandten Atmosphäre sowie die überaus positive Resonanz der Teilnehmer zurück. Besonders freute sie auch, dass der erste Band einer neuen Buchreihe „Werke aus dem Nachlass“ pünktlich zur Tagung erscheinen konnte, der neben der Tagung ein weiterer Beitrag zur Verbreitung des Denkens Ulrichs ist. Die Vorträge der Tagung werden auch als Buch erscheinen und außerdem bald als Video auf den Seiten des Ferdinand-Ulrich-Archivs zu sehen sein.
Fotos und ein kurzes Video zur Tagung finden sich auf den Seiten des Bistums Passau.

Quelle: Stefanie Hintermayr, pbp